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Nike-Station

Von Stadtwiki

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Nike-Hercules-Raketen auf Startrampe

Die Überreste einer Nike-Station im Hagenschieß sind ein Relikt aus den Zeiten des Kalten Krieges.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte und Proteste

1956 werden in Pforzheim Pläne der US-Armee bekannt, auf der Kuppe des Wallbergs, des im Volksmund „Monte Scherbelino“ genannten Trümmerbergs, eine Startrampe für Nike-Raketen zu erbauen. In den Sitzungen am 27. November 1956 und am 22. Januar 1957, als zum ersten Mal Bürger vor der Gemeinderatssitzung protestieren, lehnte der Gemeinderat der Stadt Pforzheim diese Pläne ab und schickte seinen Entschluss an die Landesregierung. Der Ortsausschuss Pforzheim des DGB (Deutscher Gewerkschaftsbund) rief für den 21. Februar 1957 zu einer Protest-Kundgebung gegen die Stationierungspläne auf dem Turnplatz auf. Auf der gut besuchten Veranstaltung sprach als Hauptredner der Ortsausschussvorsitzende Hermann Rapp. Die Bundestagsabgeordneten Fritz Erler (SPD) und Gottfried Leonhard (CDU) sowie der Verband der Fliegergeschädigten, Evakuierten und Währungsgeschädigten, Landesverband Baden-Württemberg schließen sich im April und Mai 1957 den Protesten an.

Zum Ergebnis dieser Bemühungen schreibt Hermann Rapp: „Diesen vereinten Anstrengungen blieb schließlich der Erfolg nicht versagt. Es wurde keine derartig Anlage auf dem Wallberg gebaut und damit die befürchtete Gefahr für Pforzheim gebannt. Bald hörte man nichts mehr davon“. 1

Über die weitere Entwicklung der Frage der Raketenstationierung verliert Rapp in seinen Erinnerungen kein Wort mehr. Die Pläne der US-Armee waren jedoch nicht begraben, sondern allenfalls eine Zeit lang auf Eis, denn 1959 geht die Auseinandersetzung weiter:

Am 10. Januar 1959 lehnte der Gemeinderat der Stadt Pforzheim in einer einstimmig gefassten Entschließung die Errichtung von Raketenanlagen auf dem Gelände der Stadt ab. Gemeint waren die Pläne der US-Armee, auf dem Hartheimer Kopf südöstlich der Stadt an der Straße nach Wurmberg in der Nähe der Autobahn 8 eine Startrampe für Nike-Raketen sowie einen Prüfstand für Raketentriebwerke zu errichten. Am selben Tag schloss sich das evangelische Männerwerk der Gemeinde Würm diesem Protest an, am 15. Januar legte die Verwaltung des Landkreises Pforzheim im Namen der Gemeinden Eutingen, Niefern, Öschelbronn, Hamberg, Hohenwart, Huchenfeld, Lehningen, Mühlhausen, Neuhausen, Schellbronn, Steinegg, Tiefenbronn und Würm Protest gegen die Errichtung der Raketenabschussbasen ein. Am 17. Januar beauftragten alle Fraktionen des Pforzheimer Gemeinderats den Pforzheimer Oberbürgermeister Dr. Brandenburg, bei der Landesregierung Baden-Württembergs vorstellig zu werden und gegen die Pläne Einspruch zu erheben. Am 18. Januar folgten Protestversammlungen der Siedergemeinschaften Buckenberg, Mäuerach und Hagenschieß, am 20. Januar kam es zu einer weiteren Protestversammlung in der Pforzheimer Südstadt, am selben Tag schlossen sich auch die Gemeinden Wurmberg und Wiernsheim den Protesten an.2 Ungeachtet aller Proteste begannen am 2. Dezember 1959 die Vorarbeiten für den Bau einer Nike-Raketenstellung im Hagenschieß.3

Im Mai 1961 wurde die Raketenstellung ihrer Bestimmung übergeben. Der Kommandierende General der die Stellung betreuenden US-Brigade beruhigte die Bevölkerung mit den Worten, die Anlage sei „so sicher wie eine Tankstelle und so wichtig wie die Polizei und die Feuerwehr“.4

Im Vorfeld des 23. Februar 1984 wies die Friedens-Initiative Pforzheim in einer Flugblattaktion in der Innenstadt auf Rüstungsproduktion und Militäreinrichtungen in Pforzheim und Umgebung hin. In einer Lokalzeitung wurde die Bedeutung dieser Aktion damit erklärt, „dass die Goldstadt sowohl durch die Produktion von Rüstungsgütern als auch durch die unmittelbare Nähe der US-Nike-Hercules-Raketenstation erneut zu einem direkten militärischen Ziel werden könnte. Lediglich die Konsequenzen werden dieses Mal andere Dimensionen erreichen“.5

Dementsprechend lautete der Satz auf den Tafeln einer Mahnwache der Friedens-Initiative am 23. Februar selbst gegen die Stationierung der Nike-Hercules-Raketen an der Wurmberger Straße im Hagenschieß: „Denkt an den 23. Februar!

Dass die Anlage zu diesem Zeitpunkt schon außer Betrieb war, konnten die Demonstranten aufgrund der Geheimhaltungs- bzw. Desinformationspolitik der US-Armee nicht wissen. Ende April 1985 verließen die letzten US-Soldaten die Anlage. 6

Technik und Funktion

Bei der Nike-Station handelt es sich um eine US-amerikanische SAM-Flugabwehr-Raketenstellung mit Surface to Air Missiles (Boden-Luft-Raketen) vom Typ Nike Hercules mit einer Reichweite von bis zu 150 km (und bis zu 30 km Höhe), deren etwa 15 ha umfassende Startbasis sich auf einem noch heute gut sichtbaren, wenn auch rückgebautem Gelände im Hagenschießwald befindet. Die knapp zwölf Meter hohen Raketen konnten sowohl mit konventionellen Splittergefechtsköpfen und ab Beginn der 1980er-Jahre auch mit Atomsprengköpfen vom Typ W-31 (mit einer Sprengkraft von 2 bis 40kt TNT) bestückt werden. Die Nike-Hercules-Raketen dienten damit faktisch auch als als taktische SS (Surface to Surface) Boden-Boden-Nuklearwaffe zum Einsatz gegen feindliche Truppenverbände. Die Nike-Batterie in Pforzheim war dem Vernehmen nach – zumindest teilweise – ebenfalls mit diesen auch Special Warheads genannten Gefechtsköpfen bestückt. Dafür spricht auch der immense Aufwand, mit dem die Anlage während des Kalten Krieges von den Amerikanern bewacht wurde: Doppelstreifen mit Wachhunden inner- und außerhalb des Zauns, eine fast taghelle Beleuchtung des gesamten Areals und ca. 5 m hohe Wachtürme.

Der Feuerleitbereich (Integrated Fire Control Area) zur Luftraumüberwachung mit seinem großen stationären Rundsuchradar vom Typ HIPAR befand sich in Wurmberg. Das IFC-Gelände in Wurmberg wird heute als Recyclinghof genutzt. Die Bunkeranlagen sowie der Hügel, auf dem das Fixed-HIPAR betrieben wurden, sind noch gut zu erkennen. Die als Launching Area bezeichnete Startbasis im Hagenschießwald bestand aus den Sektionen Alpha, Bravo und Charlie zu denen je ein Shelter (Bunkeranlage, in denen je bis zu zehn Raketen zum Start bereit gehalten wurden) vier Startrampen (Launcher) und ein Mannschaftsbunker. Die Mannschaftsbunker dienten dem Schutz des Bedienpersonals, von hier aus hätte auch die Zündung der Raketen stattgefunden. Insgesamt hielt die Batterie so immer 12 Raketen scharf und jederzeit startbereit. Die Shelter und die Raketenaufzüge der Launching Areas wurden gemäß der Abrüstungsvereinbarungen unbrauchbar gemacht. Von den Sheltern ist nach deren Sprengung daher nur noch Schutt übrig, die Einstiege in den unterirdischen Teil der Bunkeranlagen sind zugeschweist und daher nicht mehr vollstädig sichtbar. Dagegen sind die Mannschaftsbunker und das sogenannte Warhead Building, in dem die Raketen und Sprengköpfe montiert und getestet wurden, noch nahezu vollständig intakt. Das Gelände ist eingezäunt und kann nicht betreten werden. Die Anlage wurde 1983 außer Betrieb gestellt und ist seit etwa 1985 vollständig verlassen.

Betrieben wurde die Nike-Station, die zum sog. Nike-Gürtel gehörte, von der US-amerikanischen „Delta Battery“. Diese gehörte zum dritten Bataillon der 71st Air Defense Artillery. Aufgabe dieses Bataillons war es von 1957 bis in die späten 1980er-Jahre, den Luftraum über der Region zu überwachen und von Osten einfliegende feindliche Bomberverbände abzuschießen, bevor diese in der Lage waren, ihre Fracht abzuwerfen. Im Ernstfall wären die Raketen dabei über das Ziel gesteuert worden, um die Flugzeuge dann von oben anzugreifen. Im Ernstfall hätten die Raketen ihre Ziele auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, von Pforzheim aus in einem Gürtel westlich von Augsburg bis Nürnberg, getroffen – ohne Rücksicht auf die dortige Zivilbevölkerung. Das System Nike-Hercules wurde inzwischen durch das System Patriot ersetzt, das auch zur Verteidigung gegen Marschflugkörper eingesetzt werden kann.

Die Mannschaften waren im hinteren Bereich der Buckenberg-Kaserne stationiert. Die Dienstgrade wohnten mit ihren Familien in Kieselbronn. Die von den Soldaten und ihren Familien bewohnte Siedlung in der Nähe der Autobahn wurde von den Anwohnern deshalb auch Amibronn genannt.

Literatur

Quellen

1 zitiert nach Rapp, Seiten 523 ff.
2 nach: Kraushaar Seite 2082 f.
3 Groh, S. 63
4 zit. nach Groh, S. 65
5 Pforzheimer Kurier 20. 2. 1984
6 Groh, S. 89

Weblinks

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